Kollegen stehen am Schreibtisch grübelnd über dem Kalender

Bildungsurlaub im Handwerk: Das sollten Betriebsinhaber wissen

Das Handwerk leidet unter Fachkräftemangel und jeder, der anpackt, zählt. Erholungsurlaub ist notwendig, doch am Bildungsurlaub scheiden sich die Geister. Wir klären mit einer Expertin, was Betriebsinhaber bezüglich Anspruch, Rechten und Pflichten bei Bildungsurlaub der Mitarbeitenden beachten sollten.

Das Thema Bildungsurlaub wirft viele Fragen auf – nicht nur bei der Belegschaft, sondern oft auch bei Chefinnen und Chefs: Haben Mitarbeitende eigentlich einen Anspruch auf Bildungsurlaub? Unter welchen Umständen kann man seinen Mitarbeitenden Bildungsurlaub verweigern? Welche Vorteile hat es für Betriebe, Bildungsurlaub zu unterstützen? Expertin Judith Kraus, Leiterin der Abteilung Weiterbildungsmarketing der Handwerkskammer Braunschweig-Lüneburg-Stade, gibt Antworten.

Was bedeutet Bildungsurlaub?

Im Bildungsurlaub lässt sich ein Arbeitnehmender für einige Tage von der Arbeit freistellen, um an Weiterbildungsmaßnahmen teilzunehmen. Zulässig sind meist fünf Tage pro Kalenderjahr. Nicht genutzte Tage sind auf das folgende Jahr übertragbar. Genaueres regeln die jeweiligen Landesgesetze.

Haben Mitarbeitende einen Anspruch auf Bildungsurlaub?

Juristen würden antworten: "Es kommt darauf an...", denn Bildung ist Ländersache und so ist Bildungsurlaub auch nicht bundeseinheitlich, sondern in den einzelnen Bundesländern individuell geregelt – mit Ausnahme von Bayern und Sachsen.

Es gelten die Vorschriften des Bundeslandes, in dem der Betrieb seinen Sitz hat. Der Wohnort des Antragstellers ist hierfür irrelevant. Kurzum: Ja, grundsätzlich gibt es einen Anspruch auf Bildungsurlaub, jedoch nicht für Angestellte von Unternehmen mit Sitz in Bayern oder Sachsen.

Die wichtigsten Anspruchsvoraussetzungen umfassen u.a. Vorgaben zur

  • Dauer der Betriebszugehörigkeit

  • Mindestgröße des Betriebs und dem

  • Vorliegen eines relevanten Weiterbildungsziels

Letzteres wird großzügig ausgelegt. So sind Themen der politischen oder beruflichen Bildung ebenso denkbar wie ein Sprachkurs oder ein Rhetorik-Seminar.

Gradmesser für die Relevanz der Weiterbildung ist, dass das Seminar oder der Kurs im jeweiligen Bundesland als Bildungsurlaub anerkannt ist. Dafür gibt es entsprechende Listen im Internet, so beispielsweise für das Bundesland Berlin. Die dortige Auswahl enthält neben den üblichen Sprach- und Kommunikationskursen auch Veranstaltungen wie beispielsweise die Einführung Agroforst: Chance für die Landwirtschaft im Klimawandel, den Meistervorbereitungs-Lehrgang im Metallbauer-Handwerk oder auch Photovoltaik und Recht = Gewährleistungs- und Haftungsfragen für Planer, Handwerker und auch Gutachter.

Wie müssen Mitarbeitende einen Bildungsurlaub beantragen?

Um den Anspruch auf Bildungsurlaub geltend zu machen, müssen Angestellte einen Antrag beim Arbeitgebenden stellen. Dabei müssen sie ein paar Punkte beachten:

  • Der Antrag muss rechtzeitig gestellt werden. Je nach Bundesland spätestens neun Wochen vor Kursbeginn, meist aber eher 4-6 Wochen vorher.

  • Der Antrag sollte schriftlich und mit Eingangsbeleg gestellt werden – zwecks Nachweis der rechtzeitigen Antragstellung (also z. B. als Einwurf-Einschreiben oder durch Empfangsstempel auf einer Kopie).

  • Die Unterlagen des Kursanbieters sind beizufügen, also Belege der Anmeldung und der Anerkennung als anerkannter Anbieter für Bildungsurlaub im jeweiligen Bundesland.

Nach Antragstellung muss der Arbeitgeber über den Antrag innerhalb einer gewissen Frist entscheiden. Tut er dies nicht, gilt der Antrag als genehmigt.

Achtung: Die Anspruchsvoraussetzungen, Formalien und Fristen der unterschiedlichen Bundesländer variieren!

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Warum nehmen nur so wenige Mitarbeitende Bildungsurlaub?

Bildungsurlaub nehmen nur wenige Prozent aller Arbeitnehmenden. Das hat verschiedene Gründe:

Zum einen liegt das an der Unwissenheit der Mitarbeitenden bezüglich der genauen Voraussetzungen und dem Prozedere der Antragstellung.

Zum anderen ranken sich um das Thema Bildungsurlaub einige Mythen und Vorurteile, sowohl auf Seiten der Arbeitgebenden als auch der Belegschaft:

Viele Vorgesetzte hören beim Wort Bildungsurlaub nur die letzte Silbe "-urlaub". Sie sehen lediglich, dass Mitarbeitende in dieser Zeit nicht zur Verfügung stehen, müssen sich ggf. mühsam um Ersatz kümmern und denken, dass das Ganze im Grunde ja "einfach nur ein paar weitere Urlaubstage" sind.

Freude über die Wissbegierde von Mitarbeitenden ist jedenfalls eher selten. Das mag auch daran liegen, dass der Arbeitnehmende die Kerninhalte des Bildungsurlaubs weitestgehend selbst bestimmen kann – im Gegensatz zu verpflichtenden Fortbildungen im Rahmen des Jobs.

Aus diesen Gründen wird Bildungsurlaub auch Bildungszeit oder Bildungsfreistellung genannt, um den Eindruck zu vermeiden, die Zeit würde im Grunde nur der Erholung und nicht beruflicher oder politischer Weiterbildung dienen.

Mitarbeitende befürchten eben genau diese Gedankengänge bei der Chefin oder beim Chef. Sie wollen nicht in Ungnade fallen oder gehen davon aus, dass ihr Antrag ohnehin abgelehnt wird. Da das Thema Bildungsurlaub in den Betrieben von Vorgesetzten meist nicht aktiv angesprochen oder gar gefördert wird, herrscht viel Unwissenheit ("Welche Weiterbildung soll ich als Dachdeckerin/ Raumausstatter/ Bäckerin/ Klempner denn nehmen? Da gibt es nichts!"). Zudem fragen sich Mitarbeitende: "Was werden die Kollegen sagen?"

Judith Kraus von der Handwerkskammer ergänzt: "Die Gründe sind vielfältig: keine passenden Angebote, Kollision mit betrieblichen Erfordernissen oder schlichtweg mangelndes Interesse des Arbeitnehmenden."

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Welche Rechte und Pflichten hat der Arbeitgebende beim Thema Bildungsurlaub?

Die Auftragsbücher sind voll, einige Kollegen krank oder im Urlaub und die Situation im Betrieb ist personell ohnehin angespannt. Da kommt dann der Lehrling mit seinem Antrag auf Bildungsurlaub wirklich zur Unzeit. Einige Chefinnen und Chefs fragen sich: "Kann ich als Arbeitgeber einen Antrag auf Bildungsurlaub auch ablehnen?"

Die Antwort: Theoretisch ja, denn die Freistellung ist an bestimmte gesetzliche Voraussetzungen geknüpft. Wenn diese jedoch erfüllt sind, wird es schwierig. Eine Ablehnung des Antrags auf Bildungsurlaub ist nur aus dringenden betrieblichen Gründen möglich und muss schriftlich begründet werden. Dem Antragsteller ist es dann möglich, die Ablehnungsgründe zu prüfen und ggf. gegenzusteuern.

Oftmals ist in kleineren Betrieben der Zeitpunkt des beantragten Bildungsurlaubs problematisch, so etwa, wenn er in den Sommerferien stattfinden soll und in der Zeit schon viele Kollegen Erholungsurlaub eingereicht haben. Es steht dem Antragsteller dann frei, das Gespräch mit dem Vorgesetzten zu suchen und den Zeitpunkt des Bildungsurlaubs gemeinsam zu ändern.

Im Übrigen ist der Betrieb verpflichtet, das Gehalt des Arbeitnehmenden während des Bildungsurlaubs weiterzuzahlen. Die Kosten der jeweiligen Weiterbildungsmaßnahme hat der Arbeitnehmende jedoch selbst zu tragen.

Gibt es Erstattungen für Betriebe, die ihren Mitarbeitenden Bildungsurlaub gewähren?

Arbeitgeber können in einzelnen Bundesländern (Hessen, Rheinland-Pfalz und Mecklenburg-Vorpommern) Erstattungen für die Lohnkosten erhalten, die während des Bildungsurlaubs anfallen.

Welche Vorteile hat Bildungsurlaub für Betriebe?

Bildungsurlaub bietet Betrieben eine Reihe verschiedener Vorteile:

  • Mitarbeitende bringen von außen frischen Wind und neue Ideen mit, Erlerntes kommt dem Betrieb zugute

  • Stärkung der Mitarbeiterbindung

  • Kultur der Weiterbildung stärkt das Image als attraktiver, moderner Arbeitgeber (wichtig im Kampf gegen den Fachkräftemangel)

"Beschäftigte und Arbeitgebende profitieren gemeinsam davon", betont Judith Kraus. "Die Beschäftigten können sich im gesetzlichen Rahmen weiterbilden und Arbeitgebende bekommen qualifiziertere, motivierte Mitarbeitende. Eine Win-win-Situation, die auch dem Unternehmen zugutekommt."

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Wie kann ich als Betriebsinhaber Bildungsurlaub bei meinen Mitarbeitenden fördern?

Als Chefin oder Chef haben Sie eine Reihe von Möglichkeiten, Bildungsurlaub aktiv zu unterstützen:

  • Information: Stellen Sie Informationen zum Thema bereit. Insbesondere dann, wenn Ihr Betrieb in Bayern oder Sachsen liegt, wo kein Rechtsanspruch auf Bildungsurlaub besteht.

  • Kommunikation: Zeigen Sie, dass Sie dem Thema Bildungsurlaub aufgeschlossen gegenüberstehen. Mitarbeitende sollten keine Scheu haben, Bildungsurlaub zu beantragen. Kommunizieren Sie das ganz offen!

  • Kosten übernehmen: Neben den Kosten für Kurs oder Seminar fallen für Arbeitnehmende beim Bildungsurlaub oft auch Kosten für An- und Abreise, Übernachtungen sowie Verpflegung an. Bieten Sie Ihren Mitarbeitenden an, sich daran zu beteiligen.

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